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Realität des Pflegesystems ist oft schwer zu ertragen

Sozialpolitik

„Tierschützer würden Alarm schlagen, wenn man mit Hunden und Katzen so umspringen würde wie mit zu vielen alten Menschen in Pflegeheimen“. Es war teilweise harte Kost, was der bekannte Pflegekritiker Claus Fussek bei einem Vortrag in Bad Marienberg den meist fachkundigen Zuhörern und Zuhörerinnen zumutete. Doch er ist dafür bekannt, dass er Missstände in der stationären und ambulanten Pflege schonungslos aufdeckt – jetzt tat er dies erstmals auch im Westerwald.

Eingeladen in die leider nicht ganz voll besetzte Stadthalle hatten das Forum Soziale Gerechtigkeit und die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK). „Das Schicksal alter und pflegebedürftiger Menschen interessiert auch im Westerwald nur wenige, das Thema Pflegebedürftigkeit wird weitgehend verdrängt!“, stellte Forumssprecher Uli Schmidt (Horbach) bei seiner Begrüßung fest. Mit diesen und anderen Veranstaltungen wolle das Forum Soziale Gerechtigkeit dazu beitragen dies zu ändern, so Schmidt. Der leidenschaftliche Vortrag von Fussek und sein Plädoyer für eine bessere Versorgung alter Menschen war ein weiterer Schritt dazu.

Ein Fazit vorweg: wer die fast 2,5 Stunden dauernde Veranstaltung verfolgte, kam wohl zu dem eindeutigen Ergebnis, nie in einem Pflegeheim leben zu wollen. Dabei streute Fussek immer wieder sehr positive Beispiele in seinen Vortrag ein. Beispiele, wo für das gleiche oder weniger Geld eine wesentlich bessere Pflege geleistet wird. „Die guten Einrichtungen sind nicht teurer als die schlechten“, meinte der Gast aus München. Dies gelte auch für den Westerwald mit einem Überangebot an stationären Plätzen.

„Wir haben massive Probleme in der Pflege, alle wissen darüber Bescheid: Angehörige, Pflegekräfte, Heimleiter, Ärzte, Seelsorger, Zivis, Rettungssanitäter, Heimaufsicht, Kostenträger, Altenpflegeschulen, Gewerkschaften, Berufsgenossenschaften bis zum Bestatter. Doch niemand redet darüber, alle schweigen“, meinte ein wütender Claus Fussek. Leider sei auch die öffentliche Wirkung der Berichte bei nicht zu verantwortenden Lebens- und Arbeitsbedingungen enttäuschend. Die Politik halte sich bedeckt, um „die alten Menschen nicht zu verunsichern“. Die meisten Heimträger seien empört, aber leider nicht über die beschämenden Missstände, sondern über die vermeintliche „Skandalisierung in den Medien“.

Statt der dargestellten Allianz des Schweigens, Verdrängens, Leugnens, Wegschauens, Beschwichtigens und Vertuschens sei eine Allianz der Verantwortung und der Zivilcourage nötig. Fussek weiter: „Wir alle haben es in der Hand, was aus dieser Pflege wird. Wir alle sind die Gestalter, sind mitverantwortlich für das Gelingen und auch für das Scheitern“. Was die alten Menschen wollten, sei kein Luxus, sondern Selbstverständlichkeiten, Erfüllung bescheidener Wünsche, Normalität. Alte, behinderte und pflegebedürftige Menschen wollten Sicherheit, Schutz, sich wohlfühlen, einen respektvollen Umgangston, verständnisvolle Pflegekräfte. Ebenso wie ein Recht auf Schutz der Intimsphäre, auf Schmerzfreiheit und ärztliche Versorgung. „Dies sind Mindestanforderungen an ein Land, das den Anspruch hat, die Menschenrechte besonders zu achten“, so der Referent.

Notwendig ist nach Ansicht von Fussek auch, dass die Pflegekräfte Mut und Zivilcourage entwickeln und den Mund bei Missständen aufmachen. „Wer – wenn auch aus Angst um den Arbeitsplatz – schweigt, stimmt zu“ meinte Fussek. Sie müssten allerdings auch so bezahlt werden, dass sie davon ordentlich leben und unter menschenwürdigen Bedingungen arbeiten könnten. Kein Wunder, dass sich überwiegend Pflegefachkräfte an der anschließenden Diskussion beteiligten. Einige wurden dabei „erwischt“, wie sie am Büchertisch der Buchhandlung LOGO aus Westerburg das aktuelle Buch des Referenten „Im Netz der Pflegemafia“ erwarben.

„Es gibt im Westerwald noch keinen offensichtlichen Pflegenotstand, aber auch bessere und schlechtere Heime und Pflegedienste. Wir müssen dafür sorgen, das es nur noch bessere gibt“, so Uli Schmidt am Schluss der Veranstaltung. Er äußerte sich enttäuscht darüber, dass es nach dem 1. Westerwälder Pflegestammtisch mit Sozialministerin Malu Dreyer im April in Wirges keinerlei Bereitschaft gegeben habe, einen solches Treffen regelmäßig mitzuorganisieren. Der Moderator lud zur nächsten Veranstaltung des Forums Soziale Gerechtigkeit am Samstag, 4.12. um 16.00 Uhr im Bürgerhaus Siershahn zur Teilhabe behinderter Menschen ein.

 

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